Monday, November 10, 2008

Ein Quantum Trost

[Vor dem Lesen empfohlen: meine Kritik zu "Casino Royale"!]

Ein Quantum Trost, der 22. Film der James-Bond-Serie, beginnt eine Stunde nach "Casino Royale" und ist somit die erste Fortsetzung, die unmittelbar an seinen Vorgänger anknüpft. Ähnlich war es in "Diamantenfieber": in der Eröffnungssequenz sucht Bond nach Blofeld, der in der Schlussszene des Vorgängers, "Im Geheimdienst ihrer Majestät", Bonds einzige Ehefrau Tracy tötete. Heute sucht Bond nach Mr. White, verantwortlich für den Tod von Vesper Lyndt.
Dazu rast Bond die engen Küstenstraßen am Gardasee entlang, gejagt und selbst auf der Jagd. Es gibt Tote, die Atmosphäre ist sofort sehr gewalttätig - vorbei die Ironie vergangener Zeiten, als Schurken wie Beißer in "Der Spion der mich liebte" mit dem Auto von einer Klippe stürzten, in ein Haus krachten und dieses dann unverletzt verliessen, sich den Staub vom Anzug klopfend. Dieses Feeling kommt immerhin später auf, als bei einer Verfolgungsjagd ein Sargtransporter in Mitleidenschaft gerät.

Das Titellied im Vorspann von Alicia Keys und Jack White ist sehr sehr schlecht, Bond-untypisch und unangenehm. Die Grafiken sind bläulich-grün-sandfarben, mit der Optik verlaufenden Sandes wird den späteren Wüstenszenen vorgegriffen. Einige Zeitlupen erinnern an Matrix. Die Schriften sind schön animiert. Während des Films werden die Ortsangaben in kulturtypischen Schriftarten eingeblendet. Die Musik, zum fünften Mal von David Arnold, bleibt nicht im Gedächtnis - den einzigen Wiedererkennungswert bietet das aus dem letzten Film bekannte Vesper-Theme an ruhigen Stellen des Films.

Nach dem Vorspann will Bond Mr. White verhören, interessanter Weise in der Gegenwart von M. Die wird wieder von der wunderbaren Judi Dench verkörpert - schön, würdevoll und knallhart. Da "Ein Quantum Trost" wie "Casino Royale" am Anfang der Serie spielt macht dies natürlich dennoch keinen Sinn, das Raum-Zeit-Gefüge von 007 befindet sich im Chaos, ein Dilemma, das die Produzenten nicht mehr lösen können.

Der Film geht weiter, Mr. White entflieht, weil es Verräter auf höchster Ebene gibt, die alle zu einem ominösen Geheimbund gehören, der überall seine Hände im Spiel hat. Bond verfolgt die Strippenzieher über Bregenz nach Südamerika, wo er mit seinem alten, neuen Freund Felix Leiter zusammenarbeitet. Der ist kurz versucht, auf Ansinnen der CIA gegen Bond zu konspirieren. Die Rolle der Agency bleibt etwas verwirrend. Beim Finale in einem Hotel in der Wüste legt Bond ein paar Castro-Verschnitte um, die Welt ist sicherer, aber nicht gerettet. Das Böse lässt sich in diesem Film nicht so eindeutig bestimmen wie bisher, für jeden getöteten Superschurken tauchen drei neue auf.

Auf seiner Terroristenjagd wird Bond von zwei Frauen unterstützt: die schwer traumatisierte bolivianische Agentin Camille greift selbst gerne zur Waffe, während die blasse Ms. Fields schnell zum Opfer wird. Nach einer Psychologin in "GoldenEye" und einer Ärztin in "Die Welt ist nicht genug" ist Ms. Fields die dritte Mitarbeiterin des MI6, die Bond im Auftrag von M unter Kontrolle bringen soll - und wie ihre Vorgängerinnen erliegt sie seinem Charme schon nach 15 Minuten. Sie landen im Bett, und später findet Bond ihre Leiche über und über mit Öl bedeckt, exakt so wie Jill Masterson in "Goldfinger" mit Gold.
Solche Referenzen gibt es dezent auch zu anderen Bond-Filmen - Gerangel in einem Frachtflugzeug wie in "Der Hauch des Todes", der Sprung aus dem Flugzeug ohne Fallschirm wie in "Moonraker", Flucht in der Ente wie in "In tödlicher Mission". Bond gibt zur Tarnung die Firma "Universal Exports Ltd." an - wie früher.

Geprügelt wird in "Ein Quantum Trost" in Kill-Bill-Qualität - der Gentleman im Smoking, der mit Schalldämpfer tötet, ist wohl endgültig Geschichte. Wie im letzten Film mangelt es an Totalaufnahmen, die das Tempo ein bisschen bremsen würden. Die Schnitte sind so schnell wie die Handlung, Bond wirkt atemloser als Jack Bauer - und gleichzeitig wortkarger, was man kaum für möglich gehalten hätte.

Wo wir beim Wort sind - die Synchronisation. Jeder kennt James Bond, und eigentlich kennt auch jeder Adam Sandler, beziehungsweise seine Rollen als gutmütiger Trottel. Wie man nun auf die Idee kommt, James Bond mit der deutschen Stimme von Adam Sandler sprechen zu lassen, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Dietmar Wunder, der auch Cuba Gooding jr. vertont, ist hier zweifelsfrei fehlbesetzt. In "Ein Quantum Trost" setzt man noch einen drauf: Bonds Gegenspieler Mr. Greene wird von Oliver Rohrbeck vertont, bekannt als deutsche Stimme von Ben Stiller (u.a. "Verrückt nach Mary"). Schliesst man die Augen, bekämpfen sich in manchen Szenen also Adam Sandler und Ben Stiller. Wenn das mal nicht eine Idee für einen neuen Film ist!

"Ein Quantum Trost" endet nach kurzen 105 Minuten mit dem normalerweise an den Anfang gehörenden 007-Opener und dem Versprechen: James Bond will return.

Wie ist dieser Film zu bewerten? Bei "Casino Royale" war sich die Presse in ihren Lobeshymnen einig. Diesmal haben die Medien die Trendwende verstanden und urteilen fast einstimmig, dass der klassische James Bond tot ist.

Ganz so schlimm ist es nicht. Die erwartete Enttäuschung im Kino blieb aus, und diese Kritik ist nicht der erwartete Verriß. Es ist noch etwas übrig vom ursprünglichen Bond, der etwa in der Szene mit der Dame von der Fluggesellschaft zum Vorschein kommt. Der Wortwitz in den Dialogen ist wieder auf höherem Niveau, hier hat man offensichtlich aus den Fehlern in "Casino Royale" gelernt. Die Rolle des Q gibt es nicht (nicht mehr oder noch nicht?), ebenso wie Miss Moneypenny (die man besonders in der Interpretation von Samantha Bond schmerzlich vermisst).
Vielleicht stimmt es ja doch, dass man eine Filmfigur nicht ewig am Leben lassen kann. Vielleicht muss James Bond erst ein wenig sterben, um für dieses Jahrhundert von neuem geboren zu werden. Der Mythos Bond wurde heruntergekühlt, reduziert auf Action ohne Spielereien in kalter Bourne-Optik. Hoffentlich wird es nur noch wenige Filme dauern, bis Agent 007 wieder da ist.
Und dazu passt der letzte Dialog in "Ein Quantum Trost":

M: Ich brauche Sie wieder!
Bond: Ich war nie weg.