Friday, July 24, 2009

Die Supernase von Paris

Nein, eine gewisse Hotelerbin hat keine neue Nase. Es geht wirklich um die Stadt. Im weitesten Sinne zumindest. Ich habe nämlich vor einiger Zeit den Film "Das Parfum" gesehen, und ohne eine ewig lange Kritik zu schreiben, wollte ich den einfach mal weiterempfehlen. Ich war sehr beeindruckt.

Ich hatte vor langer Zeit in der Schule ein Referat über das Buch gehört und fand die Story interessant. Im Kino hab ich den Film verpasst, neulich kam ich dann endlich mal dazu. 147 Minuten lang, inszeniert von Tom Tykwer, ist "Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders" ein spannendes und fantasievolles Märchen. Für diejenigen, die die Story nicht kennen, sei auch nicht zu viel verraten. Es geht um einen verwirrten jungen Mann, der mit einem alleskönnenden Geruchssinn geboren wird. Vor der schönen Kulisse des historischen Frankreich bringt er dann reihenweise junge Frauen um, um aus deren Körpern ein Parfum herzustellen, welches schließlich Zauberkräfte hat. Der Film ist weit irrer, als das jetzt klingt. Er bietet aber einiges: gute Kamera, tolle Kulissen und Kostüme, prima Darsteller. In einer Nebenrolle glänzt ein gut aufgelegter Dustin Hoffman (man erkennt seine Synchronstimme und fragt sich: ist er das wirklich?). Kaum wahrnehmbar taucht später die wunderbare Corinna Harfouch kurz auf. Die dezente Musik passt sehr gut zum Film.

"Das Parfum" ist ein Film, den man sich mehrfach ansehen sollte, um sämtliche Metaphern und Aspekte zu bemerken und zu verstehen: schon zu Beginn wird der Zuschauer beispielsweise mit einer Christus-Analogie konfrontiert. Weil er stellenweise so extrem ist (trotzdem ab 12 freigegeben), hat der Film (wie aber auch das Buch von Patrick Süskind) viele Leute angewidert. Und er ist wirklich stellenweise eklig und irre - aber auf eine sanfte, poetische Art und Weise. Ein beeindruckender Spagat, den man wirklich gesehen haben muss!

(Und alle, die nun enttäuscht sind, weil sie sich von der Überschrift doch etwas anderes versprochen haben, dürfen hier klicken.)



Wednesday, July 22, 2009

News Set Design

Das neue Outfit der ZDF-Nachrichten ist ein guter Aufhänger, um ein paar interessante Links zum Thema Set-Design loszuwerden. "Maß aller Dinge" (N24-Chef Torsten Rossmann) sind hierbei amerikanische Firmen - N24 hat sein neues Hauptquartier am Potsdamer Platz wie schon das alte Set in der Oberwallstraße von der Express Group (San Diego) entwerfen und aufbauen lassen. Anders als beim ZDF sind diese Studios real, nicht virtuell - wie fast alle in den USA: der Blog SetStudio beobachtet das Studio-Design amerikanischer Nachrichtensendungen genau. Ein weiterer wichtiger Designer ist die FX Group.

Mit dem Design des "CNN ELECTION CENTER" in New York (CMB online berichtete) hat sich eine bis dahin eher unbekannte Designfirma besonders hervorgetan: Clickspring (viele tolle Bilder auf der Homepage). In Deutschland kann man die Arbeit von Clickspring beim neuen Set von CNN International sehen. Was die Studios von Clickspring in meinen Augen am meisten von den Konkurrenten unterscheidet, sind die ungewöhnlichen Böden und die für Nachrichtenstudios neue Nutzung von (Plexi-) Glaselementen.

Das kommt an: Clickspring durfte die neuen Studios und den Newsroom von NBC/MSNBC im Rockefeller Center einrichten, und hat die besonderen Herausforderungen (z. B. niedrige Decken) sehr gut gelöst. Für Fox News hat Clickspring das für europäische Augen sicher ungewöhnlichste Nachrichtenset entworfen: der Boden sieht zum Teil aus wie ein Schwimmbad, der Schreibtisch des Moderators kann für manche Moderationen als Catwalk genutzt werden. Die neueste und genialste Arbeit der Firma: Fox Business. Ich finde das Zusammenspiel von Möbeln und Farben unglaublich, und es ist sehr schade, dass nicht mehr deutsche Fernsehsender den Mut haben, so kreativ zu sein.

Kurz gesagt: Clickspring ist genial. Sagts weiter.


Saturday, July 18, 2009

Die Sendung mit dem Claus

Gestern kamen die ZDF-Nachrichten zum ersten Mal aus dem neuen, mit einer großen Werbekampagne einhergehenden Studio. Das Set ist komplett virtuell, nur der gigantische Tisch ist echt. Bilder und Videos gibt es zum Beispiel beim ZDF und bei DWDL.

Die Grafiken gefallen mir nicht besonders, ebenso wenig die neue Schriftart. Das Set ist zu leer und zu abstrakt, es gibt zu wenige Anhaltspunkte für den Zuschauer. Wenn schon ein virtuelles Set, dann bitte nichts abstraktes, sondern was konkretes (oder so wie die früheren Sat.1-News). Dass das ZDF sehr schöne virtuelle Sets kreieren kann, hat man mit dem "Politbarometer" und der "heute-show" eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Unglücklich beim neuen Nachrichtenstudio ist besonders, dass bei den sehr hellen Farben kein Tagesgefühl aufkommt - für die späten Sendezeiten von "heute journal" und "heute nacht" sind dunklere Farbtöne erforderlich.

Übrigens: warum muss man auf Klassiker verzichten, die sich so lange bewährt haben, dass sie schon zu "heute" gehören? Die Monitore und die Uhr hinter dem Anchor oder die herrlich altmodischen Schriftarten für Hochs und Tiefs im Wetter!

Ein Problem unabhängig vom Design sind die Moderationstexte. Beim "heute journal" hat man schon lange das Gefühl, aus der Sendung mit dem Claus sei die "Sendung mit der Maus" geworden. Werden zum Beispiel in Beiträgen 2 gegensätzliche Argumente genannt, wird deutlich "pro" und "contra" eingeblendet. Das hat was von den logo-Kindernachrichten.

Als Claus Kleber gestern das Verhältnis von CDU und CSU erklärte, hörte sich das so an:

"Angela Merkel hat sich zu ihrem Geburtstag heute etwas besonderes gegönnt: sie reiste zur CSU nach Nürnberg (deutliche Betonung auf dem S in CSU. Es beginnt eine virtuelle Erklärgrafik mit Merkels Gesicht über einer Deutschland-Karte neben Kleber). Sie ist auf die manchmal wiederborstige Schwesterpartei ziemlich angewiesen. Denn wenn Bayern nicht Teil der Bundesrepublik wäre, dann käme die CDU allein nur auf 27,8 Prozent der Stimmen (deutliche Betonung auf dem D in CDU. In der Grafik zeigt jetzt ein Balken 27,8 Prozent an). (...) Und jetzt gehört Bayern ja aber zu Deutschland. Die Wahlergebnisse fliessen zusammen, und die Union kommt so bundesweit auf 35,2 Prozent. So war das letztes Mal. Die Kanzlerin verdankte ein Fünftel ihrer Stimmen (in der Grafik blinkt jetzt der Schriftzug "Ein Fünftel") der CSU. Und sowas verpflichtet. Angela Merkel muss Seehofer Glück und Erfolg wünschen. Und wenn der die CDU manchmal ärgern muss, damit die Bayern Freude an ihm haben, dann hält die Kanzlerin das eben aus. "

German Politics for Dummies? Das ganze hat was von "switch reloaded". Spiegel online schreibt in seinem Artikel "Beam me up, Gundula":

Wirkten Claus Kleber und Gundula Gause anfangs wie kleine Mainzelmännchen am Horizont eines endlos langen Holzimitats, so rückte die Roboterkamera Klebers Kopf kurz darauf auf die Pelle, fast in Großaufnahme. Zur Schalte nach Jakarta legte der "Erste Journalist" des ZDF einige Fußmeter, mutmaßlich in Richtung "Dialogflügel", zurück, und bei der Anmoderation in Sachen CSU-Parteitag mit Horst Seehofer und Angela Merkel sah er fast aus wie Ranga Yogeshwar, der versucht, ein physikalisches Experiment zur Klimakatastrophe zu erklären.


Das "heute-journal" hat in den letzten Jahren ein Viertel seiner Zuschauer verloren. Es bleibt sehr fraglich, ob die jüngsten Veränderungen neue Zuschauer hinzuziehen, oder ob sie weitere verprellen.