Saturday, July 18, 2009

Die Sendung mit dem Claus

Gestern kamen die ZDF-Nachrichten zum ersten Mal aus dem neuen, mit einer großen Werbekampagne einhergehenden Studio. Das Set ist komplett virtuell, nur der gigantische Tisch ist echt. Bilder und Videos gibt es zum Beispiel beim ZDF und bei DWDL.

Die Grafiken gefallen mir nicht besonders, ebenso wenig die neue Schriftart. Das Set ist zu leer und zu abstrakt, es gibt zu wenige Anhaltspunkte für den Zuschauer. Wenn schon ein virtuelles Set, dann bitte nichts abstraktes, sondern was konkretes (oder so wie die früheren Sat.1-News). Dass das ZDF sehr schöne virtuelle Sets kreieren kann, hat man mit dem "Politbarometer" und der "heute-show" eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Unglücklich beim neuen Nachrichtenstudio ist besonders, dass bei den sehr hellen Farben kein Tagesgefühl aufkommt - für die späten Sendezeiten von "heute journal" und "heute nacht" sind dunklere Farbtöne erforderlich.

Übrigens: warum muss man auf Klassiker verzichten, die sich so lange bewährt haben, dass sie schon zu "heute" gehören? Die Monitore und die Uhr hinter dem Anchor oder die herrlich altmodischen Schriftarten für Hochs und Tiefs im Wetter!

Ein Problem unabhängig vom Design sind die Moderationstexte. Beim "heute journal" hat man schon lange das Gefühl, aus der Sendung mit dem Claus sei die "Sendung mit der Maus" geworden. Werden zum Beispiel in Beiträgen 2 gegensätzliche Argumente genannt, wird deutlich "pro" und "contra" eingeblendet. Das hat was von den logo-Kindernachrichten.

Als Claus Kleber gestern das Verhältnis von CDU und CSU erklärte, hörte sich das so an:

"Angela Merkel hat sich zu ihrem Geburtstag heute etwas besonderes gegönnt: sie reiste zur CSU nach Nürnberg (deutliche Betonung auf dem S in CSU. Es beginnt eine virtuelle Erklärgrafik mit Merkels Gesicht über einer Deutschland-Karte neben Kleber). Sie ist auf die manchmal wiederborstige Schwesterpartei ziemlich angewiesen. Denn wenn Bayern nicht Teil der Bundesrepublik wäre, dann käme die CDU allein nur auf 27,8 Prozent der Stimmen (deutliche Betonung auf dem D in CDU. In der Grafik zeigt jetzt ein Balken 27,8 Prozent an). (...) Und jetzt gehört Bayern ja aber zu Deutschland. Die Wahlergebnisse fliessen zusammen, und die Union kommt so bundesweit auf 35,2 Prozent. So war das letztes Mal. Die Kanzlerin verdankte ein Fünftel ihrer Stimmen (in der Grafik blinkt jetzt der Schriftzug "Ein Fünftel") der CSU. Und sowas verpflichtet. Angela Merkel muss Seehofer Glück und Erfolg wünschen. Und wenn der die CDU manchmal ärgern muss, damit die Bayern Freude an ihm haben, dann hält die Kanzlerin das eben aus. "

German Politics for Dummies? Das ganze hat was von "switch reloaded". Spiegel online schreibt in seinem Artikel "Beam me up, Gundula":

Wirkten Claus Kleber und Gundula Gause anfangs wie kleine Mainzelmännchen am Horizont eines endlos langen Holzimitats, so rückte die Roboterkamera Klebers Kopf kurz darauf auf die Pelle, fast in Großaufnahme. Zur Schalte nach Jakarta legte der "Erste Journalist" des ZDF einige Fußmeter, mutmaßlich in Richtung "Dialogflügel", zurück, und bei der Anmoderation in Sachen CSU-Parteitag mit Horst Seehofer und Angela Merkel sah er fast aus wie Ranga Yogeshwar, der versucht, ein physikalisches Experiment zur Klimakatastrophe zu erklären.


Das "heute-journal" hat in den letzten Jahren ein Viertel seiner Zuschauer verloren. Es bleibt sehr fraglich, ob die jüngsten Veränderungen neue Zuschauer hinzuziehen, oder ob sie weitere verprellen.