Friday, October 09, 2009

Realsatire

Im Fitnessstudio gewesen. Der Blackberry blinkt. Eine eMail von der Tagesschau:

tagesschau.de Telegramm, 09.10.2009, 11:03 Uhr

Friedensnobelpreis für Barack Obama

Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an Barack Obama. Das teilte das norwegische Nobelpreiskomitee mit.

tagesschau.de-Redaktion.
redaktion@tagesschau.de

Ich musste zweimal lesen, um sicherzugehen, den Sachverhalt zunächst mal korrekt erfasst zu haben. Dann las ich die Mail laut vor, um die anderen Sportler zu informieren.

Und dann passierte etwas, das der Surrealität dieser Meldung in nichts nachsteht. Für einen winzigen, verrückten Moment war ich nicht der Einzige, dem das komisch vorkam. Mein Trainer, ein begeisterter Obama-Fan, und einige andere, schauten nicht nur ungläubig, sondern auch irgendwie schockiert. Ich meine sogar, ein "Aber der hat doch noch garnichts gemacht..." gehört zu haben.
Dieser eindrückliche Moment war natürlich schnell vorbei, und Begeisterung machte die Runde. Ein Herr bemerkte, dass Obama zwar noch nicht viel erreicht habe, aber immerhin hätte er noch "keinen Krieg angefangen". Das sei, stimmte eine Dame zu, eine "beachtliche Leistung für einen US-Regenten".

Nun ist der Friedensnobelpreis ja sowieso spätestens seit Auszeichnung des Terroristen Jassir Arafat oder des Komikers Al Gore eine unbedeutende Farce, und mir von daher relativ egal. Da das aber viele anders sehen, ist die Auszeichnung Obamas schon bedeutend. Bei Fox News spekuliert man heute morgen, ob der Preis schon wieder ein Anti-Bush-Preis sei - Bush ist doof, Obama ist nicht Bush, das belohnen wir mal (Frankfurter Rundschau 2007: "Friedensnobelpreis gegen Bush", zur Auszeichnug von Al Gore, CMB Online berichtete ausführich).

Die ganze Irrationalität der Auszeichnung Obamas legt tatsächlich der Kölner Stadtanzeiger dar. Der Artikel lässt Bush mal beiseite und benutzt das sehr treffende Beispiel Clinton.

Dass Obama den Friedensnobelpreis erhält, nachdem er nicht einmal ein Jahr im Amt und keine Krise seiner Regierungszeit – vom Konflikt mit dem islamischen Terrorismus bis zum Klimawandel – auch nur annähernd gelöst ist, dürfte etwa für seinen Vor-Vorgänger Bill Clinton ein Schlag ins Gesicht sein. Vom Kosovo bis zum Nahen Osten, mit Stiftungen und persönlichem Engagement hat dieser Demokrat mehr versucht und mehr erreicht als die meisten Preisträger der letzten 20 Jahre. Dennoch wird nun zum dritten Mal an ihm vorbei und über ihn hinweg ein anderer amerikanischer Spitzenpolitiker ausgezeichnet: Jimmy Carter, Al Gore, Barack Obama.

Selbst bei aller möglichen Sympathie, selbst bei allem guten Willen, Obama hat NICHTS erreicht und den Preis einfach NICHT VERDIENT. Im Gegenteil, seine Politik ist Innen wie Außen negativ zu bewerten. Aber egal. Das weitere Medienecho in Deutschland bleibt gespannt abzuwarten. Spannend auch die Frage, ob Obama den Preis persönlich in Oslo entgegennehmen wird. Mein Tipp: ja.

Vielleicht waren die Obamas bei Bekanntgabe der Entscheidung um 5 Uhr Washingtoner Zeit schon wach. Vielleicht hat Barack Frühsport getrieben, vielleicht hat Michelle in ihrem Seidenschlafanzug einen Kaffee geschlürft und dabei aus dem Fenster auf ihren berühmten Gemüsegarten geschaut. Und vielleicht war auch die Reaktion der beiden ein ehrliches: "You gotta be kidding!"