Friday, November 20, 2009

Zum Tod von Jeanne-Claude

Zum Tod der Künstlerin Jeanne-Claude hier noch einmal Auszüge aus einem Referat, dass ich zu Schulzeiten über ihr Leben und ihr Werk gehalten habe.

Schon von ihrem ersten Lebenstag an sind Christo (eigentlich: Christo Vladimirov Javacheff) und Jeanne Claude (Denat) miteinander verbunden, da sie beide am 13. Juni 1935 geboren wurden; Christo im bulgarischen Gabrowo, Jeanne-Claude im marokkanischen Casablanca. Christo wächst in einem stabilen Elternhaus auf: seine Mutter Tsweta Dimitrowa, eine Sekretärin, heiratete 1930 Wladimir Jawaschew, der als Wissenschaftler arbeitete. Sie bekamen drei Kinder.

Die Verhältnisse in der Familie von Jeanne-Claude sind wesentlich komplizierter. Sie wächst bei ihrem Vater, dem Major Leon Denat auf, da seine Ehe mit ihrer erst 17 Jahre alten Mutter Precilda vor dem Gesetz nichtig ist und diese nach der schnellen Trennung von Leon drei weitere Male heiratet. Jeanne-Claude wächst bei ihrem Vater auf, der sie schlecht behandelt. Ab 1945 lebt sie wieder bei ihrer Mutter, die sie psychisch und physisch wieder aufbaute. Auch die Umstände des zweiten Weltkrieges waren es, die es Jeanne-Claudes Familie nicht leicht machten, und auch Christo blieb von diesen nicht unberührt. Der Junge, dessen außergewöhnliches Talent zum Zeichnen schon im Alter von 6 Jahren bemerkt wurde, schaffte es, mit 18 Jahren an der Akademie der schönen Künste aufgenommen zu werden, wo er besonders gerne Stücke von Shakespeare inszenierte, da er auch für das Theater eine große Begeisterung verspürte. Doch die kommunistische Partei, die einen sozialistischen Lehrplan vorschrieb, schränkte ihn in seiner künstlerischen Freiheit deutlich ein.

Deshalb entschließt sich Christo im Jahr 1957 eine Flucht zu wagen. Er findet Unterschlupf bei Freunden in Wien, nach einem Semester an der dortigen Akademie der schönen Künste verschlägt es ihn kurz nach Genf, bis er schließlich nach Paris geht.

Seit 1957 lebt auch Jeanne-Claude wieder in Paris, nachdem sie zuvor wegen den beruflichen Verpflichtungen von General Jacques de Guillebon, dem vierten bzw. fünften Ehemann von Precilda, 6 Jahre in Tunesien verbrachten. Die Familie ist sehr wohlhabend, doch trotz eines hervorragenden Schulabschlusses und großem Erfolg bei den Männern erkennt die 22-Jährige keinen tieferen Sinn im Leben. Christo hingegen lebt in ärmlichen Verhältnissen und verdient nur wenig Geld mit Porträtmalerei, kommt aber plötzlich auf die Idee, Objekte, zuerst Farbdosen, zu verhüllen. Ein paar davon werden tatsächlich gekauft.

Im Oktober 1958 nun treffen Christo und Jeanne-Claude endlich aufeinander. Christo wird beauftragt, die Precilda de Guillebon zu porträtieren, die von seiner Arbeit so angetan ist, dass sie ihm weitere Aufträge erteilt. Während Christo auch an seinen „Verpackungen“ weiterarbeitet erhält er Französischunterricht von Jeanne-Claude, der er im Gegenzug die Kunstgeschichte näher bringt. Allerdings kommen sich die beiden nicht näher, da Christo sich in Jeanne-Claudes Halbschwester Joyce verliebt hat und Jeanne-Claude ihrerseits bereits verlobt ist. Etwa einen Monat, bevor diese Hochzeit mit Philippe Planchon stattfinden soll, trennen sich Joyce und Christo voneinander. Christo verliebt sich nun in Jeanne-Claude, die ebenfalls starke Gefühle für ihn entwickelt. Nichtsdestotrotz findet die Hochzeit statt; wird jedoch kurz nach den Flitterwochen bereits wieder geschieden. Jeanne-Claude erwartete bereits vor der Hochzeit ein Kind von Christo, hielt diese Schwangerschaft auch nach der Trennung noch geheim.


Während die Liebesbeziehung zwischen Jeanne-Claude und Christo nur im Geheimen stattfindet, arbeitet der Künstler weiter an seinen Verpackungs- und Verhüllungswerken, die immer mehr Beachtung finden.

Als am 11. Mai 1960 schließlich der gemeinsame Sohn Cyril geboren wird lässt sich die Beziehung nicht mehr verheimlichen. Jeanne-Claudes Eltern reagieren ablehnend, da Christo kein „Standesgemäßer“ Partner für ihre Tochter sei. Sie verweigern dem jungen Paar jegliche Finanzielle Unterstützung, weswegen sie in ziemlich ärmlichen Verhältnissen leben müssen, eine gänzlich neue Erfahrung für Jeanne-Claude, nicht jedoch für ihren Partner.

Mit dem Jahr 1962 kommt nicht nur die Aussöhnung mit Jeanne-Claudes Eltern, sondern es beginnen die ersten großen Kunstprojekte des Künstlerpaars. Am 27. Juni besagten Jahres stapelte das Paar ohne behördliche Genehmigung Ölfässer auf der Rue Visconti, einer Seitenstrasse unweit der Seine. Trotz großer Empörung bei Anwohnern und Verkehrsteilnehmer, die die Strasse nun nicht mehr passieren konnten, gelang es Jeanne-Claude die Polizisten zu überreden, die Fässer wenigstens für ein paar Stunden stehen zu lassen. Der Name dieses ersten größeren Projektes: „Rideau de Fer“.

Die Aktion steigert die Bekanntheit der beiden erheblich, und Christo kann schon mehr von seinen „Verpackungen“ verkaufen. Kurz darauf hat er seine erste Einzelausstellung. Am 28. November 1962 kommt die verspätete Hochzeit von Christo und Jeanne-Claude. Die beiden Sparen Geld für eine Reise nach New York, dem neuen Zentrum der Kunst, wo sie im Februar 1964 auch ankommen. Sie sind von der Stadt und den Menschen so beeindruckt, dass sie noch Ende des selben Jahres ihren Wohnsitz komplett in die Metropole am Hudson River verlegen.

Trotz vieler Probleme wie Schwierigkeiten mit der Sprache und den Finanzen verkaufte Christo immer mehr verhüllte Modelle und konnte sogar in berühmten Galerien wie der „Castelli“ in New York und der „Schmela“ in Düsseldorf ausstellen, meist Zeichnungen. Schließlich kann das Paar alle Schulden bezahlen und weitere Projekte realisieren, es folgt in Zusammenarbeit mit freiwilligen Helfern, zumeist Studenten, ein 1200 Kubikmeter großes Paket.


Zu den optisch schönsten Projekten zählt bis heute der „Valley Curtain“, einem 400.000 Dollar teuren Vorhang, der zwischen zwei Hügeln der Rocky Mountains an einem 400 Meter langen Stahlseil aufgehängt wird. Die Verwirklichung dieser Idee erstreckt sich über zwei Jahre von 1970 bis 1972. Ein starker Wind zerstört den Vorhang bei beiden Versuchen nach wenigen Stunden. Zu dieser Zeit erhält Christo eine Postkarte eines Architekten aus Berlin, der ihm Vorschlägt, den Reichstag zu verhüllen. (...)


1984 erhält auch Jeanne-Claude die US-Staatsbürgerschaft; im selben Jahr stirbt ihr Stiefvater Jacques de Guillebon. 1985 verhüllen Christo und Jeanne-Claude die „Pont Neuf“, die älteste Brücke in Paris. Mit Genehmigung des Bürgermeisters, Jacques Chirac, wird die Umhüllung mit 40.000 Quadratmetern sandfarbenem Gewebe vorgenommen und von einem Publikum von über drei Millionen Besuchern begeistert aufgenommen.

Seit 1986 sind ihre rot gefärbten Haare das Markenzeichen von Jeanne-Claude. Im Dezember 1990 wird nach jahrelanger Vorbereitung endlich das mit 26 Millionen Dollar Gesamtkosten bislang teuerste Projekt der Künstler umgesetzt. „Umbrellas“ – Regenschirme. Exakt 1.340 blaue Schirme und 1.760 gelbe Schirme von jeweils 6 Metern Höhe wurden in Ibraki (Japan) und Kalifornien von fast 2000 Helfern aufgestellt. Es ist das erste Projekt, dass nicht nur finanzielle Opfer forderte: bei einem Windstoß wurde eine Passantin von einem umfallenden Schirm erschlagen, einer der Helfer erhielt bei den Aufbauarbeiten einen tödlichen Stromschlag.


1995 kommt endlich die berühmte Verhüllung des Reichstags zu Stande. In Deutschland gab es in den Jahren zuvor heftige Diskussionen über das Projekt. Nur mit der Unterstützung der damaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und mühevoller Überzeugungsarbeit per Brief bei jedem einzelnen der 662 Bundestagsabgeordneten gelingt es Jeanne-Claude und ihrem Mann Christo, die Idee durchzusetzen. Per Abstimmung im Bundestag wurde am 25. Februar 1995 das OK zur Verhüllung gegeben, die dann am 17. Juni begann und 8 Tage in Anspruch nahm. Neben den freiwilligen Helfern, auf die Christo schon immer zählte, wurden auch 90 professionelle Kletterer engagiert, die die 100.000 Quadratmeter Polypropylengewebe montierten. Als die Tücher am 24. Juni wieder entfernt wurden, hatten fünf Millionen Touristen das Werk bewundert.

Die jüngste Installation von Christo und Jeanne-Claude ging vom 12. bis zum 28. Februar 2005. Unter dem Namen „The Gates“ ließen die beiden 7.503 je fünf Meter hohe Tore aus safranfarbenem Gewebe auf 37 Kilometern Spazierwegen im New Yorker Central Park aufstellen. Die Kosten von etwa 21 Millionen Dollar brachte das Paar durch den Verkauf von Zeichnungen, Modellen und anderen Souvenirs aus ihrem persönlichen Bestand auf. Es war Christo wichtig, finanziell absolut unangebunden zu sein, da er nur so seine künstlerische Freiheit voll ausleben kann. Daher verzichtet das Paar bis heute auf alle Angebote von Sponsoren. Auch die Stadt New York, deren Bürgermeister Michael Bloomberg das Projekt absegnete, musste keinerlei Kosten übernehmen, obwohl sie von den steigenden Einnahmen durch die vielen Touristen profitierte.

Christo und Jeanne-Claude planen schon ihr nächstes Projekt: es trägt den Titel „Over The River“. Horizontal über dem Arkansas River im US-Bundesstaat Colorado werden Stoffbahnen an Stahlseilen aufgehängt. Fast 11 Kilometer des Flusses sollen so aus der Vogelperspektive verschwinden.

Cyril, der Sohn der beiden, ist heute unter anderem als Lyriker tätig. Seine Eltern bleiben mit Leib und Seele New Yorker. Jeanne-Claudes Ideen für Außenprojekte werden von Christo, der zudem allein an einigen kleineren Innen-Projekten arbeitet, zeichnerisch geplant. Auch Über dem Fluss dürfte nicht der letzte interessante Einfall der beiden gewesen sein.


Die Formatierungsfehler bei den Schriftarten bitte ich zu entschuldigen.